Juli 2010 – Paramilitare Gruppen und ihre Präsenz in Córdoba

Der Monat Juli war ein ziemlich voll gepackter Monat. Gleich am Anfang hatte ich eine kurze salida de contexto (noch vom Juni), welche ich in Medellin am Festival der iberoamerikanischen Kultur verbrachte. War ein toller Event mit den unterschiedlichsten Konzerten, unter anderen auch Rosario aus Spanien.

Als ich dann jedoch wieder nach San José zurückkehrte war dafür gleich dreifach so viel zu tun wie normal. Zuerst galt es eine Überraschungsgeburtstagsparty für meinen werten Teamkollegen zu organisieren um anschließend gleich ein paar für Besprechungen der Friedensgemeinde mit der defensoría (Volksverteidigung) durchzuführen. Seit die Friedensgemeinde sich mit der kolumbianischen Regierung in ruptura (Bruch) befindet, ist es der job der defensoría zwischen den zwei Teilen zu vermitteln und eine Auflockerung der ruptura zu ermöglichen. Leider bis dato unerfolgreich, und bereits seit Monaten befindet sich die Friedensgemeinde ohne Volksverteidiger. Nun kam Anfang Juli der nationale Volksverteidiger nach La Holandita um sich mit ein paar Mitglieder der Friedensgemeinde zusammen zu setzen und an einer Verbesserung der Situation zu arbeiten. Mal sehen inwieweit dies tatsächlich eine Veränderung zu Folge hat.

Grossteil des Julis verbrachten wir jedoch mit einer ganz anderen Situtation. Nachdem die Friedensgemeinde nun ja auch Mitglieder im Bundesland Córdoba hat, hat sich somit auch ihr Verantwortungsgebiet ausgedehnt. Córdoba war schon immer eine besonders „ereignisreiche“ Region, und daran hat sich auch mit der Zeit nicht viel verändert. Wie in der Juli Mitteilung der Friedensgemeinde verlautbart, gab es in den letzten Wochen eine besonders deutliche Präsenz von paramilitaren Gruppen, und dieses Mal auch in den Ortschaften in welchen Friedensgemeindemitglieder wohnen.

Viele der Bewohner der Gemeinden in Córdoba sind in der Gegend geboren und ihre gesamte Familientradition schreibt die Geschichte dieser Region. Jene Gemeinden in welchen sich Friedensgemeindemitglieder befinden sind hauptsächlich um einen Staudamm angesiedelt, und hatten bei der Konstruktion desgleichen im Jahr 1999 bereits ihren Grund und Boden verlassen müssen. Den Bewohnern, größtenteils Kleinbauern, wurde einleitend ein Landtausch oder – kauf angeboten. Der Landtausch wurde für vergleichsweise unfruchtbare und noch unbewirtschaftete Böden in einer stadtnahen Region angeboten. Da Boden in Stadtnähe auch immer teurer kommt, wurden für 10 ha fruchtbares und bereits bewirtschaftetes Land beim Fluss, 1 ha unfruchtbares und noch total unbewirtschaftetes Land in Stadtnähe eingetauscht. Auch der Preis welches für ihr Land angeboten wurde, war viel zu gering um anderes fruchtbares Land in vergleichbarer Größe zu kaufen. Viele der Bewohner wollten sich verständlicherweise nicht auf diese Angebote einlassen, also wurden paramilitare Gruppen zur Überzeugungsarbeit eingeladen. Ihre Arbeit bestand darin durch Morde Angst und Schrecken in der allzu resistenten Bevölkerung auszulösen und sie somit schlussendlich doch noch vom Umsiedeln zu überzeugen. Die paar wenigen, welche Gelder zum Tausch ihres Bodens erhalten hatten, verbrauchten dieselben bereits kurze Zeit später und die anderen warteten die Stauseebefüllung und den Abmarsch der paramilitaren Truppen, in einer nahen Stadt ab. Nachdem sie wieder Mut gesammelt hatten kehrte ein harter Kern wieder in ihre Heimat, bzw. an den Rand des Stausees wenn ihr eigenes Land überflutet war, zurück.

Die Idee der Stauseekonstruktion, welche zu ca. 95 % den kolumbianischen Staat als Teilhaber hat, war einerseits die Stromproduktion als auch die Regulierung des einleitenden Flusses. Leider wurde schlecht kalkuliert, und der Stausee arbeitet hinsichtlich der Stromproduktion weder wirtschaftlich, noch kann er den Fluss kontrollieren. Aufgrund dieser schlechten Bilanz muss gehandelt werden, und die einzige Möglichkeit welcher der Staat vor Augen hat ist eine Erweiterung des ursprünglichen Stausees, von 7.400 ha und einer Produktion von 340 MW, mit einem neuen, vorlagernden Stausee mit mehr als 70.000 ha zu vergrößern. Diese neue Konstruktion, sollte dann unglaubliche, „saubere“ 860 MW in das kolumbianische Stromnetz einspeisen bzw. dem Stromexport dienen.

Leider wird mit dem Bau des zweiten Staudammes auch das Wassernivel des ersten Staudammes steigen, und die umliegenden Bewohner werden wieder zum Abmarsch geboten. Wieder will keiner das Land verlassen, und wieder kommt es interessanter Weise zu vermehrten paramilitaren Aktivitäten. Bis dato kam es noch zu keinem Mord, bzw. Massaker, doch die Gruppen riefen die Bevölkerung zu Treffen auf, in welchen sie ihnen erklärten, dass sie nun zurückkamen um erneut die Kontrolle über die Region zu bekommen und für Ordnung zu sorgen. Bewohner welche sich nicht an das neue Regiment anpassen wollen bzw. nicht zu den Besprechungen kommen, zu welchen sie eingeladen werden, können mit Konsequenzen rechnen.

Die Leute haben Angst, Angst vor einer Wiederholung dessen was bereits einmal stattfand, Angst vor erneuten Schrecken und Massakern, aber sie wollen nicht schon wieder weg, und wohin sollen sie auch ...

Dies war also unser Hauptthema während des Monats Juli. Die Friedensgemeinde beschloss eine ronda de acompañamiento zwischen den unterschiedlichen internationalen Begleitorganisationen zu organisieren, welche auch uns einschloss. Um die Reise nach Córdoba gleich noch mal besser zu nützen, planten wir auch einige Treffen, zusätzlich zu jenen welche wir bereits in Apartadó hatten, ein. Wir hatten Besprechungen mit den unterschiedlichen Militäreneinheiten, der Polizei, ACNUR und der defensoría (Volksverteidigung), in welchen wir unser Sorgen anbrachten, um ihnen das internationale Interesse an der Sicherheit (insbesondere) der Friedensgemeindemitglieder deutlich zu machen.

Zusammen mit den Besprechungen, der An- und Abreise und unseren Tagen in den Gemeinden in Córdoba, befanden wir uns mehr oder weniger 2 Wochen in diesem Bundesland.

Anschließend hatte ich die Gelegenheit eine erneute salida de contexto, dieses Mal die des Monats Juli, anzuhängen und den Schlammvulkan von Arboletes kennen zu lernen und erneut eine Freundin in Necogli zu besuchen.

Nach meiner „Heimkehr“ waren wir fleißig am Verarbeiten und Verschicken der neu bekommen Information, als auch am Vorbereiten des Trainings für neue Freiwillige, da wir für Anfang August wieder einen Neuzukömmling erwarten.