Juni 2010 – Mango- und Bananenträume

Verglichen mit Mai, hatte ich im Juni fast das gesamte Monat in der Friedensgemeinde verbracht. War echt eine tolle Zeit! Ich habe mich jetzt auch schon so an das Leben hier gewöhnt, das hätte ich mir anfangs nicht ausmalen lassen.

Gut erinnere ich mich an meine erste Zeit hier! Jede Gelegenheit einmal wieder in die „Stadt“ Apartadó zu reisen hatte mich begeistert. Mein damaliger Teamkollege Peter, aus England, meinte auch einmal zu mir: „Mir ist Apartadó in der Zwischenzeit schon viel zu stressig, der Lärm der Autos, die vielen Menschen...“, und ich dachte dabei noch, dass ich liebe in Apartadó zu sein. Hier fühlte ich dass ich ein Leben lebe, an welches ich gewöhnt bin, wo ich jederzeit alles essen was ich möchte oder mir alles mögliche kaufen kann, das Internet funktioniert meistens und flott und es gibt sogar ein Kino. Hier in La Union hat das Leben einen ganz anderen Rhythmus. Gegessen wird was es gibt, da wir gerne kochen essen wir meistens auch super-lecker, aber mensch muss sich erst einmal daran gewöhnen so gut wie ohne Milch- oder Fertigprodukte zu kochen. Wenn in unserer Lebensmittelkollektion (welche nie besonders groß ist, denn ohne Kühlschrank kann mensch sowieso nicht viel aufbewahren) etwas fehlt worauf wir Gusto hätten, gibt es nichts zu machen, Zubereitet wird mit dem was es gibt. Um Einkaufen zu gehen, würden wir mindestens 6 Stunden benötigen.

Auch die Nächte eingehüllt von Hähnekrähen, Kuhschmausen, Mausetrippeln und Pferdewiehern benötigen einen gewissen Gewöhnungszeitraum. Der für uns ungewöhnlich ruhige Lebensstil und die Art und Weise der Menschen hier miteinander zu kommunizieren ... all dies erfordert erst mal ein bisschen Zeit. Keine Ahnung wie ich mich nochmals ein paar Monate später fühlen werde, aber jetzt, nach zirka acht Monaten in der Friedensgemeinde, denke ich habe ich mich an das Leben hier gewöhnt. Das einzig erfreuliche an einem Einkaufstrip nach Apartadó ist für mich meine heißgeliebte Schokolade, welche ich nur dort erstehen kann.

Mir gefällt das Leben hier. Es schein mir, dass ich mehr schlafe als alle Schlafstunden, meines gesamten vergangenen Lebens davor. Wir kochen mit den natürlichsten und einfachsten Zutaten, wessen Zubereitung zwar mehr Zeit in Anspruch nimmt, wir dafür jedoch genau wissen, was wir hier essen. ... und Zeit, Zeit haben wir hier einerseits mehr als genug, andererseits jedoch auch wieder viel zu wenig. Die Tage hier verfliegen schnell, und verglichen mit einem Tag in Europa haben wir am Ende so gut wie nichts getan. Aus unerklärlichen Gründen ist hier alles um so vieles langsamer, und dies macht uns selbst ebenso langsam. Die Arbeit welche wir in einer kompletten Woche (wir haben ja kein Wochenende) am PC zurücklegen, schafft mensch in einem Münchner Büro wahrscheinlich in weniger als einen Tag. Anfangs deprimiert einem diese Situation, wir fühlen das wir nichts zustande bringen, aber ich habe mich jetzt auch schon daran gewöhnt und nehme Verzögerungen um vieles gelassener hin.

So sehr ich mich auch auf meinen Heimaturlaub und die Hochzeit meiner Schwester im August freue, irgendwie habe ich auch ein bisschen Angst davor. Ich kann mir gut vorstellen, dass ich einen doch gewaltigen Kulturschock spüren werde. Aber wer weiß, vielleicht wird er auch nicht so stark wie befürchtet.

Auf jeden Fall, um wieder auf den Punkt zu kommen, ich habe meine diesmal doch ziemlich langen Zeitraum hier in der Friedensgemeinde sehr genossen. Da mein Teamkollege Besuch von seiner Partnerin bekam, und auch ein Weilchen auf Urlaub war, hatte ich auch mehrere Tage ganz für mich, was mir ermöglichte endlich diese Berichte zu schreiben.

Glücklicher Weise war im Juni auch gerade Mangosaison ... und ich liebe Mango! Einer der Erstbegründer von La Union hatte in seinen ersten Tagen eine riesige Mangoallee gepflanzt, von welcher wir bis in die heutigen Tage nutznießen. Über ein Monat hinweg kann mensch sich täglich Säcke mit frischen Mangos füllen. Teilweise hatte ich bereits zu viel Mango gegessen, und meine Zunge war etwas von der Fruchtsäure verätzt und ich musste eine kleinere Mango-ess-Pause einlegen. Zurückdenkend an meine Kindheit, wo mein Herr Papa vielleicht ein- oder zweimal im Jahr, um uns eine Freude zu machen, eine Mango vom Naschmarkt mitbrachte, ist das echt ein Weltenwanel.

Einmal Mitte Juni wurde ich für eine kleine Petition von Bogota aus der Friedensgemeinde gerufen. Ich konnte den Rechtsanwalt der ACA (Asociacion Campesina Antioquía), die Organisation mit welcher ich bereits im November 2009 einen „Begleitausflug“ gemacht hatte, auf eine Reise nach Turbo begleiten. Turbo ist zirka eine Autostunde von Apartadó entfernt, hat einen Hafen, Strand und großteils afro-kolumbianische Bevölkerung. Hier ein kleiner Artikel welchen ich über diese Petition schrieb:


The Colombian odyssey or the fight over land

The humid air entering by the open windows of the already rumbling Chevrolet Sprint was refreshing us. Our destination: Turbo, one of Colombia’s most important port towns on the Caribbean known for hot weather, dirty town beaches and its mainly black population. Turbo is full of life, salty ocean-air and fresh fish … and one of my favorite towns in Colombia. I was happy having the chance to accompany Fernando, the friendly lawyer of the ACA, during his job there.

The ACA is the Antioquian Farmer Association, and FOR has accompanied their work now for about five years. They mostly support farmers who have been - or are threatened to be – displaced, in the defense of their land. In Colombia the access to land always has been a source of political power and humanitarian problems. This is a social and armed conflict in which the elite pretends to defend their political and economic power by putting in risk the fundamental economic, social, cultural and environmental rights of the Colombian farmers.

In Turbo the ACA works with campesinos (small farmers), who due to the violence in the region had to leave their land. When later on the security situation in the region got better and the campesinos came back to their own land, which they even have the titles for, somebody else was living there and cultivating their land. Somebody else they have never met before; somebody else they are afraid of and who doesn’t even let them visit their own land. After this welcome back they often try with different state entities to recuperate their land, but it seems impossible – impossible especially for somebody to whom all this bureaucracy is one of the biggest barriers and the money to pay a lawyer is missing.

The ACA and the Association of Victims for the Restitution of Land and Property in Urabá, work together with some of these campesinos to help them to get back their land.

“Its now about 10 years, that I’ve been trying recover my land.” said one of the campesinos to me, while sitting in a bar in Turbo waiting for the other two campesinos to come. He was sipping on his aromatica (sweet herbal tea) while reflecting on what had happened to him. When all had arrived, Fernando got some information from each of them, and we continued to an Internet café where he finished up his documents. Shortly before 5 pm, when the public offices in Colombia close, we enter the registration office and deposit the documents. “Now the patience procedure starts” said Fernando to the campesinos, “you have to come here, every Friday, as if they would be holy, and ask for any progress in your process”.

Juan, one of the campesinos who started the judicial process with the help of the ACA two years ago, was able to finally resettle his land. “The first thing I did was knock down all those plantain plants, which had hardly been cultivated in this region when I left!” said Juan proudly. As a little thanks for the help of the ACA, Juan gave Fernando some kilos of fresh corn he had just harvested and a big smile.

Let’s hope that the judicial process for the other two campesinos in Turbo, as well as for all the other campesinos the ACA takes care of, works out all fine, and that they are soon able to cultivate their proper land again.


Eine andere tolle Sache, welche ich hier im Juni erlebte war, dass ich wieder einmal bei einem embarque (Verschiffung von Kleinbananen nach Europa) dabei sein konnte. Es ist einfach unglaublich was für einen Unterschied es macht wo mensch lebt und was für einen Zugang er zu den unterschiedlichen Lebensmittel hat. Um ihren Gemeinschaftsprozess finanzieren zu können sucht die Friedensgemeinde immer wieder nach neuen wirtschaftlichen Möglichkeiten. Eine zeitlang verkaufte sie biologisch angebauten Kakao an die GEPA in Deutschland. Als ich letztes Jahr in München arbeitet, hatte ich sie auch tatsächlich in einem Dritte-Welt-Laden entdeckt – kleine Schokoladetafeln aus der Friedensgemeinde San José de Apartadó > schmeckte echt lecker! Dieser Kakao-Liefervertrag wurde nun jedoch gecancelt, da es ihnen unmöglich war, diese großen Mengen an Kakao welche die GEPA benötigt hätte zu liefern. Nun verkaufen sie ihren biologischen Kakao an lokale Genossenschaften zu einem geringeren Verkaufspreis (COP 5.000,—statt COP 7.000,--).

Zur Zeit haben sie jedoch einen Vertrag zum Verkauf von biologisch angebauten Kleinbananen an BanaFair. Was heißt es Kleinbananen biologisch anzubauen: Das verwendete Insektizid wird aus Zwiebel, Knoblauch, Chili und noch ein paar anderen Zutaten zusammengebraut. Es funktioniert, ist jedoch bei weitem nicht so effizient wie eine chemische Mischung. Da BanaFair seine Bananen auch relativ teuer verkauft, sollten sie sich natürlich in einem mehr oder weniger optimalen Zustand befinden. Was passiert also alles in so einem embarque!?

  1. Die Bananen wurden mit Farbbändern markiert, denn zu jedem embarque (falls es wöchentlich stattfindet) werden die Bananen von einer Farbe verschifft, denn sie haben alle mehr oder weniger das gleiche Alter.
  2. Nun zuerst werden die Bananen vom Baum geschnitten, der Baum welcher die Bananen trug wird kurzgesäbelt, denn er hat bereits einen „Jungen“ bekommen der an seiner Seite hochwächst und die nächste Bananenstaude tragen wird.
  3. Alle eingesammelten Bananenstauden werden an einem Holz aufgehängt
  4. Der Verantwortliche des embarques schneidet die Bananen von der Staude und teil sie in „gesunde“ Pärchen von 4-6 Stück. Gesund heißt ohne schwarze Flecken, denn das ist der Auftrag.
  5. Die Mithelfer waschen die Bananenpärchen erst, und lassen sie dann in einer Flüssigkeit welche ihre Reifung verzögert einwirken.
  6. Nun werden die Bananen auf Bananenblättern zum Trocknen aufgelegt.
  7. Sind sie trocken werden sie mit den entsprechenden Etiquetten beklebt.
  8. Anschließend werden sie in kleine Plastiksackerl verpackt.
  9. Zum Abschluss werden die Bananen in ihren Plastiksackerl in die großen Kartons gepackt, um sie auf einem Maultier zur ersten Station nach La Holandita zu transportieren.
  10. In La Holandita angekommen, werden die Bananen wieder in kleinere von BanaFair speziell angeschafften Kartons verpackt, in einen LKW geladen und nach Cartagena an den Hafen transportiert.
  11. In Cartagena werden sie dann schlussendlich verschifft und auf die große Reise über den Ozean geschickt.

Tja und wie dann der weitere Prozess aussieht, wenn sie erst einmal in Deutschland ankommen, wissen wir sowieso. Auf jeden Fall verdienen die kolumbianischen Bauern ca. 1 EUR pro kleinen Karton, welcher je 12 Sackerl mit je zirka fünf Bananen enthält.
Ich finde dieses embarque immer super interessant, da es mir einen Einblick gibt, in was ich da eigentlich kaufe wenn ich in Europa Bananen kaufe.

Die Friedensgemeinde ist auf alle Fälle recht glücklich mit ihrem Bananenvertrag, sind jedoch auf der Suche nach einem Unternehmen, welches ihnen auch die anderen Bananen mit schwarzen Flecken abkauft und damit ev. Studentenfutter herstellt. Des Öfteren verlieren sie auch relativ große Mengen an Bananen wenn ein starker Stum geht, oder wenn BanaFair gerade keine Bananen braucht und sie dann zu einem späteren Zeitpunkt bereits zu reif sind. Auf alle Fälle essen kolumbianische Pferde und Maultiere keine Äpfel sondern grüne Bananen und somit haben sie wenigstens mehr als genug Futter für ihre Transportmittel.

Mai 2010 – Kolumbianische Kristall-, Wahl- und Plakatwelten

Mein Mai in der Friedensgemeinde war eher ein kurzer Monat, da mein Herr Papa mir einen ehrwürdigen, fast zweiwöchigen Besuch abstattete, aber Bogota meinem kleinen tropischen Bauerndorf vorzog > also zwei Wochen Urlaub in Bogota, Villa de Leyva und Villavicencio. War toll Besuch aus der Heimat zu haben, und noch mal toller aus der Familie!!! Hab ich echt super genossen.

In den zwei Wochen in der Friedensgemeinde bekamen wir jedoch eine Petition um zwei Friedensgemeindemitglieder in ihrer Ortschaft La Cristalina zu begleiten, da sich in der Nähe in der letzten Zeit des Öfteren paramilitare Gruppen blicken ließen. La Cristalina trägt ihren Namen zu Recht, denn es ist einfach ein von Schönheit blendender Ort mit einem wunderschönen, entspannenden Weg. Entspannend weil ohne große Anstiege, aber nass, weil mindestens acht Flussüberquerungen. Auf jeden Fall wandert mensch für zirka 2 Stunden durch traumhafte Wälder. Da in Kolumbien gerade wieder invierno (Winter bzw. die kühlere Regenzeit) ist, sind die Flüsse relativ hoch, und wer nicht auf einer bestia (Pferd, Maultier oder Esel) unterwegs ist kommt, völlig durchnässt an. In solchen Situationen helfen auch keine Gummistiefel mehr in welchen wir normalerweise unsere „Spaziergänge“ machen. Wir blieben für zwei Tage in La Cristalina, die Ruhe, die Aussicht über die Berge bis zum Meer und das leckere Essen mit Chili (ganz außergewöhnlich für Kolumbianer, welche normalerweise kaum scharf sondern nur salzig essen) genießend. Die paar wenigen Friedensgemeindemitglieder welche in La Cristalina leben, sind besonders nette Menschen, und unsere Zeit dort wurde durch angeregte Diskussionen verkürzt.

Wie in meinem letzten Monatsbericht erklärt befinden sich Friedensgemeindemitglieder ja verteilt in den unterschiedlichsten Ortschaften bis zu unterschiedlichen Bundesländern. Wenn wir Ortschaften besuchen, machen wir dies hauptsächlich um visuell die internationale Präsenz und das internationale Interesse in den Friedensgemeindemitglieder und in der Berücksichtigung ihrer Rechte zu zeigen. Das heißt wie überall wo wir uns befinden tragen wir unsere FOR T-Shirts und montieren unsere kleine, aber feine FOR Fahne. Ein wichtiger Teil unserer Arbeit ist auch die Bestärkung der Friedensgemeindemitglieder in ihrem Tun. Verglichen mit der normalen Zivilbevölkerung haben sie aufgrund ihrer Ideale doch immer wieder einige Abstriche zu machen, wie eben, dass sie keine Staatsförderungen annehmen, oder sich ihre Ermordeten nicht bezahlen lassen, als auch Probleme in der Schulbildung und natürlich das Alkoholverbot. Ihre Position als Konfliktneutrale und vom Staat unabhängige Gemeinde hat natürlich viele politische Vorteile, aber die Mitglieder benötigen schon einen gewissen Weitblick um diese teilweise sicherlich schwer zu erkennenden Vorteile, besonders im täglichen Überleben, zu erkennen.

Auf jeden Fall verbrachten wir ein paar Tage des Monats Mai bei den Leuten in La Cristalina und hörten ihren oft schlimm, traumatischen Geschichten zu. Ein besonders nettes Pärchen erzählte uns besonders ausführlich von einem schrecklichen Ereignis im Jahr 2003 in La Cristalina bei welchem ihre 3 jährige, unschuldige Tochter von Soldaten des kolumbianischen Militär ermordet wurde. Was für eine Angst müssen die Leute hier immer wieder durchleben. Als sie uns diese erlebte Geschichte erzählten brach die Mutter in Tränen aus, Tränen die ihre Wut, ihre Schuldgefühle und ihre Unfähigkeit zu handeln ausdrückten.

Mai war außerdem auch das Monat der Präsidentenwahlen, am letzten Mai Sonntag. Wie die meisten von euch bereits wissen, gab es Kandidaten mit Überraschungen, wie der Kandidat der Grünen Partei und Ex-Bogota-Bürgermeister Antanas Mockus, welcher in den Wahlbefragungen außergewöhnlich viele Stimmen bekam, die „Grüne Welle“. Die Grüne Partei in Kolumbien ist jedoch bei weitem nicht so grün und links wie die Grünen in Österreich oder Deutschland, und trotz grün, auch große Unterstützer der seguridad democratica (die von Alvaró Uribe eingeführte Sicherheitspolitik mit starker Militärpräsenz zusammen mit der Unterstützung vom Volk). Der Grund warum er doch von vielen eher Linkswählern Stimmen erhalten hat, ist sein Ziel durch Bildung, Pädagogik und Integrität Kolumbien umzukrempeln. Während seiner Zeit als Bürgermeister in Bogota hatte er, durch spaßvolle Werbespots und Ideen, nicht nur ein großes Wassersparbewusstsein in Bogotas Bevölkerung hervorgerufen, sondern auch eine Beachtung der Verkehrsregeln und –zeichen, wie zB die Ampel! :)

Bogotaner waren auf jeden Fall großteils von ihrem Bürgermeister begeistert. Wahlbeobachtern und –überdenkern zu Folge hätte Antanas Mockus (Mathematiker und Philosoph) zusammen mit seinem Team aus erfolgreichen Ex-Bürgermeistern aus Bogota und Medellin, besonders unter Großstädtern gute Chancen. Leider schnitt Mockus besonders nach Fernsehdiskussionen, auf welche Fragen er des Öfteren eher schlecht vorbereitet war, als auch aufgrund seiner eher komplizierten Ausdrucksart, eher schlecht ab. Schlussendlich bekam er in der ersten Wahl auch nur 21 % der Stimmen ab, und sein größter „Gegner“ Juan Manuel Santos, ein großer Unterstützer der Politik Alvaro Uribes, hatte mit 49 % der Wahlstimmen, eigentlich schon so gut wie gewonnen. Die Stichwahlen wurden für den 20. Juni 2010 angesetzt, und wie ich bereits jetzt berichten kann (da ich diesen Bericht ja erst im Juli schreibe) gewann die Stichwahlen auch tatsächlich Juan Manuel Santos, welcher seine Position als neuer Präsident von Kolumbien ab 7. August 2010 antreten wird. Während des Wahlkampfes war Santos, besonders in der eher links orientierten Gesellschaft, stark kritisiert (nicht nur aufgrund seines anscheinend nicht allzu hohen IQs). Nach dem eindeutigen „Sieg“ und der größten parlamentarischen Mehrheit in der kolumbianischen Geschichte, sind die Kritiken (zumindest vorläufig) etwas verschwunden und mensch wartet auf den „Untergang“ :)

Tatsächlich gibt es total unterschiedliche Analysen über den neu gewählten Präsidenten, welcher (seinen Eltern nach) bereits in den Windeln davon träumte einmal Präsident zu werden. Einerseits fürchten die Kolumbianer seinen undiplomatische Charakter und die bereits jetzt super-schlechten bis zu Hass-Beziehungen zu den Nachbarstaaten wie Venezuela und Ecuador. Andererseits hat Santos Erfahrungen in den unterschiedlichsten Bereichen welche, der heutigen kolumbianischen Politik zufolge, als Präsident erforderlich sind: Militär, Wirtschaft und der Kongress. Santos findet Unterstützung durch den Kongress, die Grossunternehmer, die Gremien, das Militär, die Kommunikationsmedien (El Tiempo eine der wichtigsten Tageszeitungen Kolumbiens ist im Besitz der Familie Santos), die USA bis zu den (kaum existierenden) Gewerkschaften. Bereits jetzt wird ihm eine acht jährige Präsidentschaft vorausgesagt, als auch ein Leichtes in der Durchführung der von ihm gewünschten Reformen im Bereich Gesundheit, öffentliche Gelder und Pensionen.

Direkt nach der Wahl wurden unterschiedliche Stimmen, welche eine Wahlbetrug kritisierten, laut, unter anderem auch von CODHES, die kolumbianische Menschenrechtsorganisation, welche eine Untersuchung an einem Vergleich der vermehrten Wahlbeteiligung von Nutznießern staatlicher Gelder (familas en acción) und der Stimmabgabe für Santos durchführte. Diese Kritiken blieben jedoch stets ohne große öffentliche Bekanntgabe. Nicht Selten hörten wir auch von Wahlstimmenkauf, Wahlurnenfälschungen und –verbrennungen als auch von Wahlauswertungssoftwaremanipulationen. Wahlstimmen kaufen sich, interessanterweise, je nach Region und politisches Bewusstsein günstiger und teurer. In Turbo wurden Stimmen bereits um COP 30.000,-- (ca. EUR 12,--) verkauft, während in San José, wo Politik immer schon eine bedeutende Rolle spielte Stimmen erst ab COP 100.000,-- (ca. EUR 43,--) verkauft wurden. Auf jeden Fall immer eine Menge Geld für einen Klein-Bauern.

¿Welche Auswirkungen wird der neue Präsident jedoch auf die Region Urabá und somit die Friedensgemeinde San José de Apartadó haben? Das Interesse, welches Alvaro Uribe in das Land in Urabá hatte, war ausgesprochen groß, da seine Familie den Grossteil ihres Besitzes in dieser Gegend hat. Santos hat historisch gesehen kein erhebliches Interesse in Urabá, welches zu einer Beruhigung der Situation führen könnte, jedoch hat Santos noch einige Schulden mit Uribe auszugleichen, denn der Gute hatte ihn doch, trotz besserer Kandidaten damals zum Verteidigungsminister ernannt. Also Mal sehen was dies nun bedeutet. Prinzipiell ist die Wahlbeteiligung unter der ärmeren Bevölkerung in Kolumbien sowieso ziemlich gering, da Kolumbianer, um überhaupt einmal wahlberechtigt zu sein, erst einmal ihren Personalausweis auszustellen haben (Kosten ca. COP 150.000,--; ca. das Monatseinkommen eines Kleinbauern) und sich zusätzlich auch noch in das Wahlregister eintragen lassen müssen. Mitglieder der Friedensgemeinde beteiligen sich kaum an den Wahlen, da der Grossteil die Meinung vertritt, dass ein Kandidat den Anderen an Schlechtheit kaum zu übertreffen wagt, und sie für solche Wahlen ihre Stimmen nicht „verschwenden“ möchten. Das demokratische Wahlbewusstsein, welches wir Österreicher geschichtlich mitbringen, und einem eher zum Weiß- denn zum Nichtwähler macht, ist in Kolumbien kaum, und noch mal weniger in der Gesellschaftsschicht der Kleinbauern, vorhanden.

Eine weitere, meiner Meinung nach, bedeutend interessante Beobachtung, war ein Plakat der fuerza publica (Staatskraft = Polizei und Militär). Es war eines dieser Plakate, welche mensch heutzutage häufig und in den unterschiedlichsten Orten vorfinden kann. Eines dieser Plakate welche die kolumbianische fuerza publica nutzt, um ihren Beliebtheitsgrad in der Bevölkerung zu erhöhen. An den Straßenrändern gibt es Plakate welche vermehrt darauf hinweisen, dass diese Straße nur aufgrund des kolumbianischen Militärs befahrbar ist, welche „für die Sicherheit auf ihrer Straße sorgt“. In Einkaufszentren oder sonstigen von der Öffentlichkeit stark besuchten Plätzen sind Riesenplakate mit wieder anderen Nachrichten vorzufinden. Dieses eine Plakat welches ich in Bogota, am Eingang eines Einkaufzentrum vorfand gewann jedoch mein ganz besonderes Interesse: „Danke dem Militär, durch wessen Hilfe die Flüchtlingsrate zurückging.“ Jede Person welche sich mit der „Flüchtlingsbewegung“ in Kolumbien auseinandersetzt weiß, dass die fuerza publica in Kolumbien eine große Mitschuld an dem desplazamiento hat.

April 2010 – (Tor)schusspanik und das neue Team

Der April war ein mehr oder weniger „ruhiger“ Monat. Ruhig zumindest bezogen auf Reisen...

Während meiner Blutinfektion arbeitete ich fleißig im Bogota Büro mit, und organisierte den diesigen Teamretiro (Teamtreffen finden ca. jedes halbe Jahr statt, der letzte war ja Ende Oktober). Auf dem Rückweg nach La Union hatte ich also einen Zwischenstopp in Medellin mit allen Freiwilligenteams (Bogota und La Union). Der retiro war ein voller Erfolg! Alle waren total glücklich mit dem ausgesuchten Ort, und wir schafften es unsere gesammelten Themen rücksichtslos auszudiskutieren. Hier schaffte ich es auch noch mich vollständig von meiner Infektion zu erholen, und schwups ging es wieder zurück in die Friedensgemeinde.Geschichtlich war es bereits immer so, und wird solange der Konflikt in Kolumbien besteht wohl auch zukünftig so bleiben, dass egal zu welchen Wahlen die Situation noch einmal gewaltig aufbrodelt. In der Etappe der Präsidentenwahlen war dies besonders stark zu spüren. Wie hier alle sagten: „Die Guerilla wollen Alvaro Uribe noch einen gebührenden Abschied feiern.“ Uribe ging mit dem großen Ziel in seine Präsidentschaft, dass es bis zu seinem Ausscheiden im gesamten Land keine Guerillagruppen mehr gibt. Solche Worte motivieren natürlich! Es mag sein, dass die letzten Monate etwas ruhiger waren, aber dies war nur um Kräfte zu sammeln, und somit in der letzten Zeit seiner Präsidentschaft umso mehr Präsenz zu zeigen. Auch die Nachrichten reflektieren die Anhäufung der Schusswechsel zwischen Guerilla- und Militärgruppen, auch wenn kein einziger der Kämpfe, welche wir von hier aus hören konnten, erwähnt wurden. Im Monat April konnten wir zumindest einmal die Woche den unterschiedlichen Schüssen eines Kampfes zuhören. Die Leute hier können allein vom Geräusch oft erkennen, ob dies nun Schüsse vom offiziellen Militär oder den Guerillas war, oder aus welchem Gewehr sie abgefeuert wurden. Einmal hatte ich auch eine besonders interessante Diskussion von 1,5 Stunden über die unterschiedlichsten Kriegswaffen, welche die zwei Personen mit welchen ich sprach kannten. Spätestens jetzt, mit all den Schusswechseln rund um uns wurden wir mit dem Fakt, dass wir uns mitten in einem Kriegsgebiet befinden, konfrontiert.

Wenn wir Schüsse hören sind wir auf alle Fälle immer in Alarmbereitschaft, und versuchen mehr Information zu bekommen. Wir rufen beim Militär oder anderen Organisationen an und sprechen mit den Leuten vor Ort. Mit der erhaltenen Information machen wir dann eine Analyse und versuchen so gut wie möglich zu agieren bzw. Druck auszuüben wenn erforderlich. Bei den gehörten Schusswechsel waren Friedensgemeindemitglieder nie direkt betroffen, also holten wir nur Information ein. Interessant war es jedoch als ein Friedensgemeindemitglied detenido (verhaftet) war. Wir machten ein paar Anrufe and einige Militärverantwortlichen und auch wenn die Anrufe nicht so effektiv auf uns wirkten, schlussendlich ließen sie den guten Herren doch frei. Es kam sogar ein Soldat anspaziert, um den Verantwortlichen vor Ort zu sagen, dass sie bereits Anrufe erhalten hätten, und dass sie sich mit dieser Festnahme in Probleme begeben würden.

Des Öfteren hören wir auch größere Explosionen, welche jeweils auf (meistens die Entschärfung von) Minen und sonstigen Sprengkörpern zurück zuführen sind. Häufig passiert es, dass Soldaten auf Minen steigen und dadurch auf ein etwaiges Minenfeld aufmerksam werden. Seit Kolumbien in 2000 die Konvention von Ottawa, das freiwillige Anti-Minen-Abkommen unterschrieben hat, produziert und verlegt der kolumbianische Staat keine Minen mehr. Die Mission des Staates ist die Entschärfung aller Minen und Minenfelder, mit dem ursprünglichen (jedoch nicht erreichten) Plan bis 2010 alle Minenfelder deaktiviert zu haben. Trotzdem zählt Kolumbien zu den Ländern in welchen jedes Jahr mehr neue Minen verlegt als entschärft werden.

Im Dezember 2009 fand im kolumbianischen Cartagena die zweite Überprüfungskonferenz der Ottawa-Konvention statt um die Ziele der nächsten fünf Jahre zu planen. 156 Staaten haben die Konvention seit ihrem Inkrafttreten 1999 unterschrieben. Sie verbietet Einsatz, Weiterverbreitung, Lagerung sowie Produktion von Antipersonenminen und arbeitet an einem weltweiten Verbot von Landminen. Nicht umsonst fand diese Konferenz in Kolumbien statt, ist es doch weltweit das Land mit den meisten Minenopfern. Von 1990 bis September 2009 haben die kolumbianischen Behörden offiziell 8.034 Opfer von Landminen und nicht explodierter Munition verzeichnet. 65 Prozent der Opfer wurden auf Seiten von Armee und Polizei registriert, 35 Prozent sind Zivilisten.

Landminen gelten als eine strategische Kriegswaffe, die einfach, billig und effizient ist, daher wird sie allzu oft von den Guerillagruppen eingesetzt. Meistens werden sie genützt, um das Militär von ihren Niederlassungen oder Kokaproduktionen fern zu halten. Häufig jedoch auch als direkten Angriff, werden sie auf Plätzen verlegt an welchem die Militärs sich gerne niederlassen. Unglücklicherweise sind das häufig Schulen und andere öffentliche Plätze welche vom Militär nicht respektiert werden, oder eben Wegesränder. Ein kolumbianischer campesino (Kleinbauer) weicht so gut wie nie vom Weg ab, ein Meter kann schon zu viel sein. Die Minen der Guerilla sind meist selbstzusammengebastelte metallfreie Sprengkörper welche sich in all möglichen Tarnungen (Chipssackerl, Bälle, Körbe, Taschen, etc.) befinden können. Schwer zu schätzen ist auch die Anzahl der Minen, welche im Boden, im Wasser und auf Bäumen versteckt sind.

Nach der kolumbianischen Menschenrechtsorganisation CODHES sind Minen nicht nur das wichtigste Verteidigungsmittel der Guerilla, sondern haben auch einen starken Anteil in der Vertreibung der Bevölkerung. Laut CODHES kann eine erstaunliche Übereinstimmung zwischen einer Karte welche die Vertreibungen und einer Karte welche die verminten Gebieten aufzeigt festgestellt werden. Es ist jedoch schwer, Zahlen zu nennen, denn es ist unklar, wer wegen der Minen flieht und wer nicht fliehen kann, weil es so viele Minen gibt. Dennoch gibt es einen direkten Zusammenhang.

Zusätzlich zu der Entschärfung der Minen hat der kolumbianische Staat noch andere Ziele um die Anzahl der Minenopfer zu vermindern. Ein Punkt darin ist die Bildung der Bevölkerung zum Minenschutz. Kinder sind häufige Minenopfer aufgrund der fehlenden Aufklärung. Auch die Unterstützung von Minenopfern und die Koordination und Stärkung der Institutionen sind wichtige Punkte im Regierungsprogramm gegen die Minen.

Ich bin echt glücklich gerade mit unserem Team hier. Wir haben einen neuen Teamkollegen Isaac aus den USA und wir machen uns echt eine recht nette (Arbeits)zeit hier. Und alle lieben kochen > also essen wir auch super lecker.

Im April hatten wir auch wieder ein Treffen des Mesa Humanitaria, leider konnten nicht alle Organisationen kommen, und dadurch konnten wir die Analyse der Situation in San José de Apartadó nicht durchführen.

Da wir für längere Zeit zu Hause waren, hatten wir die Gelegenheit das neue Agrikulturzentrum in La Union besser kennen zu lernen. Dies ist ein Projekt der Friedensgemeinde, finanziert von einer Organisation in Spanien, um ihren Mitgliedern sowohl Heilpflanzen als auch Gemüse, Früchte und Kräuter zur Verfügung stellen zu können. Auch soll eine Bibliothek gebaut werden, welche hauptsächlich Bücher zum Schwerpunkt Agrikultur und Heilpflanzen hat.

März 2010 – Die neuen Regionen in Córdoba, ein Mitschnitt ...

Der März fing gleich mal ziemlich ereignisreich an! Nach ein paar Tagen „Urlaub“ in La Union, nach dem Memorial des Massakers in Mulatos, marschierten wir wieder für ca. 6 Std. nach Mulatos zurück, um dort noch einen Tag zu verbringen bevor wir uns aufmachten ein paar Gemeindemitglieder in die neuen Gebiete der Friedensgemeinde in Córdoba zu besuchen und kennen zu lernen.Seit ihrer Gründung in 1997 befand sich die Friedensgemeinde nur in dem departamento (Bundesland) Antioquia, und hier in dem corregimiento (Gemeinde) San José de Apartadó. Aufgrund der durchgeführten retornos – wenn die Leute, welche aufgrund des Konfliktes ihren Grund und Boden verlassen mussten wieder dorthin zurückkehren – zerstreuten sich die Friedensgemeindemitglieder wieder bis an die Grenzen zum Bundesland Córdoba. In diesen angrenzenden Gemeinden ist die Gewaltsituation ziemlich prekär und sie haben eine hohe Präsenz illegaler Akteure. Als die Kleinbauern aus Córdoba die Friedensgemeinde kennen lernten, schien ihnen jene als eine gute Alternative zu der bis dato gelebten Situation.

Die Friedensgemeinde ist jedoch kein Verein wo mensch so einfach einsteigen kann. Durch die komplizierte Situation des Konfliktes müssen Neuinteressierte ihre Ernsthaftigkeit und insbesondere Neutralität erst einmal über einen gewissen Zeitraum unter Beweis stellen, bevor sie tatsächlich aufgenommen werden. Nachdem einige Personen das Vertrauen gewonnen haben, hat die Friedensgemeinde San José de Apartadó nun Mitglieder in 8 Gemeinden in Antioquia (San Josesito, La Union, Arenas, Mulatos, La Resbalosa, La Esperanza, La Cristalina, Las Nieves) und in 4 Gemeinden in Córdoba (Alto Joaquin, Naín, Las Claras, Puerto Nuevo).

Wir (mein Teamkollege Chris und ich) waren total erfreut, die Gelegenheit zu haben die neuen Gemeinden in Córdoba kennen zu lernen. In den Gemeindetreffen, welche großteils in der Aldea de Paz in Mulatos stattfinden, hatten wir ja schon ein paar neue Mitglieder kennen gelernt. Wie sooft wenn jmd. neu dazukommt, bringen auch die jungen Mitglieder aus Córdoba frischen Schwung in die Gemeinde.

Der Weg nach Córdoba ist ein ordentlicher Spaziergang: Nach den 6 Stunden nach Mulatos (welche wir ja bereits am Vortag zurückgelegt hatten) kommt ein einstündiger Aufstieg nach La Resbalosa und von dort aus geht es noch mal 6 Stunden weiter bis in die erste Gemeinde Naín. Der Weg von La Resbalosa nach Naín war jedoch einer der schönsten Wege meines Lebens. Wir marschierten hauptsächlich in einem Flussbett, umgeben von wunderbarer Vegetation (leider wird dieses tolle Ambiente auf den Fotos nur schwach wiedergegeben).

Als wir in Naín ankamen, war es bereits fast dunkel, und somit durften wir dann im dunkeln den fast ausgetrockneten Fluss suchen, um uns und unsere Kleidung im fast mehr Sand als Wasser zu „waschen“. Dann bekamen wir jedoch ein leckeres Abendessen, und schon fielen wir früh aber todmüde in unsere Hängematten. Am nächsten Tag hieß es wieder früh aufstehen und los ging es in die nächste Gemeinde Alto Joaquin. Der eigentlich 2 Stunden lange Marsch, dehnte sich auf 5 Stunden aus da wir des Öfteren einen anderen als den geplanten Weg einschlugen. Wie Alto Joaquin bereits im Namen verrät, beinhaltet der Anweg wieder einen ordentlichen Aufstieg, der uns die Restmüdigkeit aus den Knochen trieb. Dort oben erlebten wir jedoch einen kulinarischen Highlight: Angefangen vom besten tinto (schwarzer Kaffee mit Zucker) meines Lebens, über einen super-leckeren Kokosreis, bis hin zu in Kokosmilch zubereiteten Fisch wurden unsere Gourmetlechzenden Münder verwöhnt. Nach einigen Besprechungen ging es bereits weiter in die nächste Gemeinde Puerto Nuevo, was jedoch nur einen kurzen Spaziergang und eine anschließende Bootsfahrt bedeutete. Auch dort wurden wir wieder mit Fisch und Reis verwöhnt und schwups starteten wir nach Las Claras, der letzten Gemeinde auf unserer Liste, wo wir nächtens nach einer kleiner Bootsfahrt ankamen und erneut leckeren Fisch als Abendmahl bekamen.

Am nächsten Tag wären wir eigentlich noch in eine 5. Gemeinde spaziert, in welcher es noch keine Friedensgemeindemitglieder gibt, jedoch von Einigen das Interesse besteht Mitglied zu werden. In den Besprechungen welche in den anderen Orten stattfanden, erfuhren sie jedoch, dass der Grossteil der Bewohner dieser Gemeinde etwaige Verbindungen mit paramilitaren Gruppen haben. Dadurch hatten wir einen Spaziergang weniger, und am nächsten Morgen fuhren wir mit einem Boot bis Frasquillo, um von dort auf der Strasse mit Busen, über Montería, wieder zurück nach Apartadó zu fahren.

Die vier neuen Gemeinden in Córdoba liegen alle in der Nähe eines Stausees Urrá I, aufgrund welches Baues sie vor einigen Jahren bereits „umsiedeln“ mussten. Die „Umsiedlung“ funktionierte mehr durch Drohung als Verhandlung, und den Leuten wurde nicht ihr Grund sondern nur die Dinge welche sich auf dem Grund befinden (Haus, Baum, etc.) zu günstigsten Preisen abgekauft. Jetzt liegen dem Staat die Pläne für den nächsten taudamm Urrá II vor. Bis jetzt wurden sie aufgrund des gewaltigen Umwelt- und Sozialschäden abgewiesen, aber die Unternehmen stehen dahinter und arbeiten an einer zukünftigen Genehmigung. Eine einfache Art und Weise, den Kleinbauern auf legalem Wege ihres Boden zu enteignen, ist sie in den Koka-Anbau zu verwickeln. Erst einmal als Koka-Bauer erwischt, gehört sein/ihr Grund und Boden der kolumbianischen Regierung. Was für eine einfache Methode Gebiete ohne desplazamiento forzado (Zwangsvertreibung der Bevölkerung) und somit auf legalem Wege zur Verfügung zu bekommen. Dies vermindert zwar nicht den Umweltschäden, aber den sozialen umso mehr!

Nach diesem tollen „Ausflug“ waren wir auf alle Fälle für unsere geplanten Besprechungen in Monteria gerüstet. Wie wir uns auch regelmässig (ca. alle 6 Monate) mit den Militärverantwortlichen aus San José de Apartadó treffen, wollten wir, aufgrund der neuen Mitglieder der Friedensgemeinde, nun auch anfangen uns mit den Verantwortlichen der in Córdoba ansässigen Truppen zu treffen. Bei diesen Treffen war ich persönlich nicht dabei, da meine zwei Teamkollegen jeweils die starke Präferenz hatten dabei zu sein, also dachte ich mir mache ich mir ein paar nette Tage in La Union. Auf jeden Fall hatten wir ein paar erfolgreiche Treffen, mit dem Militär, der Polizei und der Defensoría aus Córdoba.

Ende März, für die Osterzeit hatte ich dann Urlaub, welchen ich nützte um meine Freunde in Tumaco zu besuchen!!! Es war toll, sie nach so langer Zeit endlich wieder zu sehen! Leider ist die Situation in Tumaco ziemlich kompliziert. Hier werden täglich circa 10 – 15 Leut’ umgebracht (teilweise sogar im Stadtzentrum), in Apartadó ist es dahingegen richtig ruhig, hier wird mit einem Schnitt von 8 Morden in der Woche kalkuliert.

Leider fuhr ich schon a bissal krank in den Urlaub, und kam auch wieder krank davon heraus, auch wenn ich echt versuchte mich so gut wie möglich zu schonen. Als wir das letzte Mal in Mulatos waren, hängte sich leider ein Zecken an meinen Oberschenkel, und an so einer tollen Stelle, dass ich ihn leider überhaupt nicht sah. Tja und als er dann nach ca. 2 Wochen wahrscheinlich schon ne etwas stattlichere Gestalt angenommen hatte, hab ich ihn mir unabsichtlich weggekratzt. Natürlich ist sein Kopf tief stecken geblieben, und der enthält anscheinend Eier welche dann ins Blut gelangen und eine Infektion hervorrufen. Aber davon wusste ich zu der Zeit noch nichts, und ich versuchte die Wunde mit allen möglichen Mitteln zum Heilen zu bringen. Tatsächlich verheilte sie auch irgendwann so halbwegs, aber alles andere was meine Haut öffnete (Blasen, Gelsenstiche, etc.) entzündeten sich schrecklichst, und ich hatte 8 über Wochen entzündete offene Wunden. Erst versuchte ich sie über Homöopathie zu heilen > funktionierte leider auch nicht, also ging ich dann zu einem normalen Arzt der mir auch gleich 2 Bombenantibiotika und noch 2 Wochen extra in Bogota verschrieb. Damit heilten meine Wunden dann auch endlich und ich konnte somit im April dann auch wieder zurück nach La Union.

Februar 2010 – Das Monat des dramatisierenden Massakers von 2005, es geht zurück nach Mulatos

Wow, die Zeit verfliegt wie verrückt! Jetzt bin ich bereits mehr als 4 Monate hier ... und was für 4 Monate ... 4 Monate mit super vielen Eindrücken und Ereignissen, 4 Monate mit Hochs und Tiefs, und der Februar war ein besonders ereignisreicher Monat.

Anfang Februar kam ein neuer Kollege angereist, Chris aus den USA, somit sind wir nun wieder 3 Leut’ im Team in La Union und können auf Petitionen (Begleitanträge) etwas flexibler eingehen.

In der zweiten Februarwoche kam Susana Pimiento (aus der FOR-USA Koordination in Bogota), Mark Johnson (vom FOR-USA Fundraising in Washington D.C.) und David (ein Freund von Mark und Gutsituierter Arzt) auf eine kleine „FOR-USA Kolumbienprojekt-Kennenlerntour“ bei uns vorbei. Wir organisierten ihnen einige Treffen mit Mitglieder des consejos Gemeinderates als auch kleinere Spaziergänge zum centro agricola (ein neuerrichtetes Agrikulturzentrum der Friedensgemeinde mit dem Schwerpunkt auf Heilpflanzen), einer primativera (Kleinbananenplantage) und einer cacoatera (Kakaoplantage). Klingt zwar gar nicht so aufregend, aber da steckt ganz schön viel Organisation dahinter, auch bzgl. der Schlafmöglichkeit oder dem regelmäßig warmen Essen. Wir hatten jedoch echt jede Menge Spaß, und Mark beschloss nach seinem Ausflug nach Kolumbien, dass das Kolumbienprojekt unmöglich ohne FOR-USA funktionieren kann und dass auch FOR-USA dieses Projekt, als eines der besten Beispiele von angewandter gegenwärtiger Gewaltfreiheit, unbedingt benötigt. Also eine echt erfolgreiche Delegation.

Tja, dann hatten wir noch eine mehr oder weniger gemütliche Woche in unserem geliebten La Union, in welchen ich auch noch für ein paar Tage von einem guten Freund aus Österreich Besuch bekam. bevor die ersten Zeremonien für das schreckliche Massaker am 21. Februar 2005 in Mulatos, in welchem sowohl einer ihrer besten Fuehrer, Luis Eduardo Guerra, als auch Kinder ermordet wurden.

Den ganzen Februar über hatten sich in La Holandita bereits viele internationale Organisationen eingefunden, abgesehen von den internationalen Begleitorganisationen wie FOR, PBI und die Palomas (aus Italien Operazione Colomba der Associazione Comunità Papa Giovanni XXIII). Eine der ersten Organisationen war Tamera (www.tamera.org) – eine Gemeinschaft aus Portugal, welche bereits seit einigen Jahren mit der Friedensgemeinde auf Austausch zusammenarbeitet. Ausserdem kam auch SOS Regenwald, mit Richard Weixler aus Österreich und einige Reporter von unterschiedlichen Teilen dieser Welt. La Holandita füllte sich und überall leuchteten die bunten Farben der Hängematten, in welchen die Besucher aufgrund von Bettenmangel schliefen.

Der erste große Tag war der 18. Februar. In aller Früh machten wir uns von La Union auf nach La Holandita, wo wir uns erst einmal kurz duschten, um dann wieder in unsere Gummistiefel zu schlüpfen, weil uns die defensora (= Volksanwältin) vorwarnte, dass wir uns ansonsten bald vor lauter Ameisenbissen kaum noch stillhalten könnten. Der Plan für diesen Tag war die Opfer des Massakers in 2005 aus dem Friedhof in San Jose auszugraben, die Leichen zu reinigen und an einem sichern Ort für den nächsten Tag aufzubewahren, an welchem sie dann nach La Holandita transportiert werden sollten. Zu Zeiten dieses Massakers lebte ein Grossteil der Friedensgemeinde noch in San Jose, weshalb die Toten auch in diesem Friedhof begraben wurden. Dies sollte nun geändert werden: Es gilt die Leichen der Friedensgemeindemitglieder sicher in La Holandita unter den Ihren feierlich zu begraben.

Mit um die 70 Leute, bunt durchmischt national als auch international, marschierten wir von La Holandita zum Friedhof in San Jose los. Am Friedhof angekommen flüchteten alle erstmals in den Schatten – es war wohl einer der heißesten Tage, und die Sonne brannte nur so auf uns herab - trotzdem galt es die „Gräber“ der Ausgewählten zu finden. Dies stellte sich aufgrund der kolumbianischen Dorffriedhofbedingungen (= verwilderte Wiese mit Kreuzen oder zerbrochenen Grabsteinen wild durcheinander verteilt) als etwas langwieriger als gedacht heraus. Schlussendlich waren die Gräber jedoch bestimmt, und die tapfersten und sonnenbestaendigsten Friedensgemeindemitglieder warfen sich in die brennende Sonne und fingen an Särge auszugraben. Wurde erstmal ein Sarg hervorgeholt, wurde der Leichnam (nur noch Knochen) identifiziert in einen schwarzen Plastiksack gesteckt und beschriftet. Lang nach Mittag waren alle Körper identifiziert und von hungrigen Teilnehmern fuer die Reinigung zum Fluss getragen.

Eines unserer Sicherheitsprotokolle bestimmt, dass wir spätestens um 17 Uhr den Aufmarsch nach La Union beginnen dürfen – also hatten wir noch ein schnelles „Mittagessen“ und machten uns auch schon wieder an den Aufstieg.

Am nächsten Tag fand eine kleine Demonstration in San Jose und Beerdigungsfeierlichkeiten in La Holandita statt. Leider konnte ich persönlich an diesem Event nicht teilnehmen, da wir noch jede Menge Vorbereitungen für unseren geplanten Ausflug nach Mulatos zu treffen hatten. So ein Ausflug/Begleitauftrag verlangt ganz schön viel Geplane und Gepacke! Hängematten, Moskitonetze, Essen, Wasseraufbereitungstabletten, Lesematerial, Moskitospray und Waschmittel ist nur ein kleiner, jedoch feiner Auszug aus unserer Packliste.

Am 20. Februar (wieder einmal zu frühsten Morgenstunden) machten wir uns auf den Weg nach Buenos Aires, eine kleine Siedlung ca. 40 Min von La Union, wo wir mit den von La Holandita heraufwandernden Leuten zusammentrafen und dann alle gemeinsam (an die 200 Personen), glücklich und vereint den 6 Stundenmarsch nach Mulatos antraten. Es ist ein ziemlich langer Weg, aber wunderschön! Im neu gestalteten Mulatos angekommen gab es erstmals eine kleine Bohnen-Reis-Stärkung, und dann durften wir auch schon unsere Hängematten für die verdiente Nachtruhe aufspannen.

Der 21. Februar als Haupttag begann mit einer Messe in der neuen Kapelle in Mulatos (wo die Leichen gefunden wurden) und am Ort des Massakers, am Fluss Mulatos. Danach gingen wir alle nach La Resbalosa (ca. 1,5 Stunden reiner Aufstieg), wo in 2005 auch ein grosses Massaker stattfand, um dort auch eine kleine Gedenkmesse zu feiern und die Geschichte des Massakers zu hören. Am Abend war eine große Versammlung geplant, in welcher sich all die unterschiedlichen, anwesenden Organisationen und Friedensgemeindeortschaften vorstellten.

Wie jedes Jahr sollte auch dieses Jahr die universidad campesina (= Farmeruniversität) stattfinden, und zwar die darauf folgenden 2 Wochen in Mulatos. Diese Universität ist ein Teil der alternativen Fortbildung welche die Friedensgemeinde zusammen mit anderen alternativen Gemeinden (einige indigene Gemeinden und Tamera) entwickelt hat. Die beteiligten Gemeinden treffen sich jährlich zum Wissensaustausch in unterschiedlichsten Gebieten (Gesundheit, Kultur, Technik) und tragen so gegenseitig zum Fortschritt der anderen bei.

Wir, als FOR, blieben noch ein paar Tage länger in Mulatos um leckere Bohnen und Reis zu genießen und um uns mit einigen Soldaten zu unterhalten, nachdem ein guter Bekannter der Friedensgemeinde auf seinem Weg nach Mulatos verschwunden geworden schien. Die Soldaten hatten ihn jedoch tatsächlich nicht verschleppt, und einige Tage später kehrte er auch wieder unversehrt zu seiner Frau zurück (wir wissen noch immer nicht was tatsächlich geschah, aber es war wohl eher eine private Angelegenheit). Nach dieser knappen Woche in Mulatos machten wir uns, mit einigen Führungspersönlichkeiten, wieder auf den Rückweg in unser Heimatdorf, um ein paar Tage später wieder nach Mulatos zurückzukehren – davon erzähle ich jedoch in meinem Märzreport.

Jänner 2010 – Meine „salida de contexto“ und meine erste Woche allein ...

Tja ... vorbei die Wochen mit meinem eigenen Schlepptop ... nach kurzer Zeit beschloss er aufgrund von zu hoher Luftfeuchtigkeit und Alter seinen Geist nun vollkommen aufzugeben > also ich kämpfe meinen Weg wieder durch zum Team-PC ...

Der Jänner 2010 verging genauso rasant wie auch die zwei Monate davor ...

Gleich am Anfang hatte ich eine salida de contexto (Ausgang aus dem Kontext) wie unser 3 tägiger monatlicher Urlaub benannt ist. Ein beliebtes Ziel hierbei ist Sapzurro, ein kleines Palmen-Strand-und-Meer-Dörfchen an der kolumbianischen Karibikküste, schon fast an der Grenze zu Panama – 20 Minuten über einen Hügel spazieren und schon landet mensch im fremden Land, wo es ebenso einen wundertollen Strand gibt. Diese salidas de contexto sind eine absolute Notwendigkeit, denn eigentlich arbeiten wir hier 24 Stunden, 7 Tage die Woche. Wir tragen immer unsere FOR-T-Shirts, auch in der Nacht, und egal welche Konversationen wir mit wem führen, wir repräsentieren immer mehr FOR als uns persönlich. So eine salida de contexto lässt uns alle einmal durchatmen, ein Bier trinken und unbesorgter Kontakte knüpfen. Im November nützte ich mein Acompaniment in der Nähe von Medellin für eine salida de contexto in Santa Elena (westlich von Medellin), und im Dezember blieb ich einfach ein Weilchen länger in Bogota als ich dort mein Meeting mit dem Botschafter hatte. Sapzurro war auf alle Fälle sicherlich meine aufregendste salida, und ich habe alles, angefangen vom Motorbootwellenritt, bis zu den leckeren Fischspeisen bis auf meine Haarspitzen genossen!

Als ich wieder zurückkam, ging Rachel (im Jänner meine einzige Teamkollegin) mit zwei Freunden von ihr für eine Woche auf Urlaub nach Sta. Martha > meine erste Woche alleine in La Union!

Anfangs war ich wohl etwas verunsichert, denn schließ- und endlich verbringt mensch hier in La Union doch den Großteil seiner Zeit mit seinen Teamkollegen, aber echt ... ich hatte dann echt eine tolle Woche! Jeder einzelne La Union-Bewohner kümmerte sich ganz führsorglich um mich! Sie brachten mir Essen, luden mich zum Kochen ein, oder kamen einfach auf ein Quatscherl vorbei. In dieser Woche lernte ich sowohl Bohnen als auch bollo (gemahlener Mais und Bananen vermischt und in einem Bananenblatt zu einer festen Masse gekocht > echt lecker!) zuzubereiten. Wilson (ein Mitglied vom consejo, bzw. Gemeinderat, welcher in 2008 auf einer einmonatigen „Sprachtour“ auch Österreich besuchte) lud mich sogar einmal zu einem kleinen Tagesausflug zu der Rinderzucht der Friedensgemeinde ein. Toll was sie aus dem Preisgeld des Pfeffer Peace Prices, welcher ihnen in 1998 von FOR-USA überreicht wurde, gemacht haben! Damals kauften sie, von diesem für sie an Symbolik reichem Geld, 3 Kühe, und jetzt haben sie bereits fast 30! Nächtens schaute ich mit einigen Jugendlichen Filme aus unserer DVD Selektion zu welchen wir uns immer etwas zum versüßen zubereiteten, wie zB kuskus (hier in Kolumbien: fein gemahlener Mais mit Zucker vermischt > picksüß, aber alle lieben es heiß).

Die coyuntura (militärische Lage der Region) war in dieser Woche ziemlich ruhig, und ich kam kein einziges Mal in die Verlegenheit mich bzw. FOR einem Soldaten vorstellen zu müssen ... tja, und dann kam auch Rachel schon zurück, und meine Zeit als Einzel-FORista in La Union war vorbei und zusammen mit ganz schön viel Verstärkung aus dem Dorf machten wir uns ans große Ausmalen (siehe Fotos anbei)! War echt verdammt viel Arbeit und wir hangen mit den ganzen vor- und nachputzen sicherlich 1,5 Wochen daran.

Ende Februar war ich zu meiner ersten 15-Jahr-Geburtstagsfeier-fuer-Maedchen eingeladen. Was für ein Tamtam ... total anders zu allem was wir so als Geburtstagsfeier bezeichnen ... das Burzlerkind total als Prinzessin herausgeputzt, und mit einigen anderen Jugendlichen „Walzer“ tanzend die Party starten. Walzer habe ich unter Anführungszeichen gesetzt, denn was hier als Walzer bezeichnet wird, hat absolut nichts mit dem Walzer zu tun, für welchen wir Österreicher so bekannt sind ... irgendwie beruhigte mich das total ... denn es zeigt einfach, dass jeder a bissal an anderen Rhythmus im Blut hat, wir sind zwar keine Spezialisten wenn’s um Salsa geht, aber dafür kennen wir fast alle die Walzergrundschritte.

Generell, war der Jänner sicherlich eher ein ruhigerer Monat ... im Februar gibt es wieder jede Menge mehr zu berichten ... und ich hoffe, bald ;)

Un abrazo muy fuerte a Austria.

Dezember 2009 - Weihnachten und Neujahr in der Friedensgemeinde

Ich merke, dass ich mich hier immer mehr heimisch fühle … unsere beiden Häuser (eines aus Holz und das andere aus „Material“ – Beton) werden immer reinlicher, ich habe nun auch ein Zimmerchen aus „gesundem“ Holz (dh: weder am Zerfallen noch voller unbekannter Insekten), ich kenne immer mehr Leute und ihre Namen (hptsl. aus La Union, aber auch aus La Holandita/San Josesito), auch weiß ich wo ich Frühstückseier und Snack-Chips oder Kekse kaufen kann und zu wem wir gehen wenn wir wieder einmal keinen Strom haben. Unseren lecken Gasherd konnten wir zwar immer noch nicht richten (da die Meisten hier mit Holz kochen, kann uns kaum jmd weiterhelfen) aber dafür bekamen wir immer ein Maultier oder ein Pferd (= bestias) geborgt, wenn wir die Gaspipette wieder einmal in dem 2 Stundenmarsch entfernten San José auffüllen mussten.

Die Dezemberkälte lässt sich hier überhaupt nicht blicken! Wir haben tagein tagaus strahlenden Sonnenschein mit seltenem aber dafür umso kühlenderen Regen. Verglichen mit meinem ersten Monat hier, November, ist Dezember um vieles trockener und heißer, was den tollen Vorteil von trockenen Wegen und niedrigen Flüssen mit sich bringt. Dies erleichtert unseren meist wöchentlichen Ab- und Aufstieg von La Union bis San Jose gewaltig, und wir sind davon überzeugt, dass wir – unter diesen Konditionen sicherlich um eine halbe Stunde schnellen wären – wenn es nur nicht so verdammt heiß wäre ;)

In je etwa einer halben Stunde entfernt, befinden sich in La Union zwei wundervolle Pozas (Flussbademöglichkeiten), welche natürlich in der heißen Zeit um einiges öfter besucht werden.

Meine ersten Dezemberwochen waren nichts desto trotz sehr arbeitsintensiv. Wir hatten unglaublich viele Besprechungen, sowohl mit dem Consejo Interno der Friedensgemeinde, als auch mit dem Bürgermeister von Apartadó, der Mesa Humanitaria (ca. 6 wöchiges Treffen einiger internationaler Organisationen, welche in Urabá im humanitären Bereich tätig sind, zB: Oxfam, IOM, UNO, PBI, etc.) und einigem mehr. Auch war ich noch fleißig am Durcharbeiten unseres Training Manuals (ein ewig langer Wälzer) und ein paar mehr zu erstellende Dokumente durchkreuzten unsere gemütlichen Tage in der Hängematte. Hängemattenzeit hatten wir so gut wie nie.

Mitte Dezember war ich für ca. eine Woche in Bogota, um mich zusammen mit Susana Pimiento, mit dem Österreichischen Botschafter Andreas Liebman zu treffen. Was für eine reizende Person, Susana war positivst überrascht, aber ich hatte mir von einem Österreicher nichts anderes erwartet. Dr. Liebmann zeigte sich sehr an unserem Projekt mit der Friedensgemeinde interessiert, und kann sich auch gut vorstellen einmal zu Besuch zu kommen, bzw. an etwaigen Treffen teilzunehmen. Finanzielle Unterstützung ist zumindest im Moment nicht möglich, da Österreich sich stark auf Entwicklungsprojekte konzentriert, und wenn, dann müsste auch IFOR Österreich um Unterstützung ansuchen. In dieser Woche hatte ich dann auch ein Treffen mit PBI und IFOR Holland (war durch Zufall gerade Besuch im Büro).

Auch wenn ich prinzipiell bevorzuge hier in La Union zu sein, so freue ich mich trotzdem bereits auf meine 3 Monate in Bogota (März, April, Mai 2010) da auch die Arbeit in Bogota eine große Bereicherung darstellt.

Zu Weihnachten begleiteten wir für eine Woche Wilson (Berta war krank) und viele Friedensgemeindemitglieder aus La Union, nach Mulatos - der Ort an welchem in 2005 das große Massaker stattfand, und somit zur Aldea de Paz und zum Gemeindezentrum ernannt wurde. La Union übernahm die Konstruktion des großen Kioscos für die Aldea de Paz, welcher für die Weihnachtsparty am 24. Dezember fertig gestellt sein sollte und auch war. Zu Weihnachten kamen dann noch viele Mitglieder aus San Josesito, La Rebalosa, La Esperanza, ebenso wie aus den neuen Gebieten aus Cordoba (Naín, Alto Joaquin, Las Claras). Schlussendlich verteilte Amanda (die großartige Köchin aus dem Geimeinschaftsrestaurant in San Josesito) an die 300 Mittagessen.

Es war eine tolle Erfahrung mit so vielen Leuten in Mulatos zu sein. Dies war auch meine erste tatsächliche „Petition“ (abgesehen von der Emergengy-Petition als Gildardo, in der Nähe von Mulatos auf eine Mine stieg) mit der Friedensgemeinde. Der Weg nach Mulatos ist lang und matschig. Gott sei Dank hatten wir ein Maultier, welches unser Gepäck trug – keine Ahnung ob ich sonst den 7 stündigen Schlamm-stapf-Marsch von La Union bis Mulatos bewältigen hätte können. Als wir sahen wo Gildardo der Minenunfall passierte hatten wir alle einen ziemlichen Schock. Die Mine war tatsächlich nicht einmal 2 m vom Weg entfernt bei einem Baumstamm an welchen einmal ein Soldat Pause machte platziert gewesen. Bei diesen Wegen darf mensch echt nicht einmal einen Meter vom Weg abweichen!

Zu dieser Zeit hatte ich auch Besuch von einer guten Freundin aus Bogota, welche ich noch aus Tumaco kenne. Natürlich war sie total glücklich, dass sie die Gelegenheit hatte das neue Gemeindezentrum der Friedensgemeinde kennen lernen zu können und sie wurde auch ganz toll von allen Seiten aufgenommen.

Der 24. Dezember war komplet mit Gemeinschaftsprogramm verplant, mit Piñatas sowohl für Kinder als auch für Jugendliche, sowie mit ernsthaften politischen Diskussionen. Der Abend war mit einem leckeren Abendessen mit Natilla und Buñulos als auch einer Tanzparty ausgestattet. Vor der weihnachtlichen ökumenischen Abendmesse mit Padre Javier hatte ich die Möglichkeit die motivierenden Briefe, welche uns Natalia von Jugendlichen aus Österreich brachte, öffentlich an Wilson zu übergeben und einige ausgewählte an alle im neuen Kiosco Versammelten vorzulesen. Die Leute waren total gerührt und kamen nachher zu mir, um die Briefe genauer anzusehen. Ich erwähnte, dass sich die Jugendlichen in Österreich sicherlich freuen würden wenn ihnen jemand antworten würde. Mal sehen ob mal ein Briefchen bei uns eintrudelt.

Als wir von unserer Woche Mulatos-Aufenthalt zurückkamen war ich erstmals für mehr als eine Woche ziemlich krank. Ich hatte immer wieder hohes Fieber, und dann fühlte ich mich wieder relativ gut. Zur Vorsicht ging ich nach Apartadó um mich auf Malaria testen zu lassen. Die Tropenklinik des Krankenhauses in Apartadó ist extrem professionell und sauber (ehrlich gesagt hatte ich sie mir schlimmer vorgestellt). Um ganz sicher zu gehen wurde ich gleich 2 x auf Malaria und 1 x auf Dengue getestet, Beides jedoch negativ. Schlussendlich hatte ich wahrscheinlich einfach einen einfachen Virus, und nach einer kräftigen Hydratation mit suero fühlte ich mich auch schon um vieles besser!!!

Trotz Fieber nahm ich an den Tauffeierlichkeiten statt welche Padre Javier am 28. Dezember in La Union durchführte, ebenso wie ein bisschen an der Abschlussfeier von Peter (ein Teamkollege von mir aus England, welcher jetzt für ein halbes Jahr in das FOR Büro in Bogota sein wird) und die auch Teile der Sylvesterfeier welche Arroz con Leche, Carne de Res und die Verbrennung des Alten Jahres in Form einer ausgestopften Puppe beinhaltete.

Es ist einfach eine wahnsinnig tolle Gelegenheit hier mit der Friedensgemeinde zusammenleben zu dürfen und ihren ganzen Prozess und ihre Probleme so lebendig mitzuerleben.

Alles, alles Liebe aus La Union,

Marion

November 2009 - The beginning

Colombia is great ... and "La Union" even greater! It´s now about 2 weeks that I´m present in "La Union" (a small village within the peace community of San José de Apartadó). Life is quiet here ... we are up in the mountains together with loads of "bestias" (= horses), chicken, cats, dogs, rats, mosquitos and snakes ;) (no, don´t worry, not that bad! I still didn´t meet one single snake nor rat, but we know that they are there ... surrounding us ;) ) ...

Most of our time we are lying in hammocks discussing about future & past reunions with generals/military or the peace community leaders, about any "chisme" (= gossip) of little La Union or military movements in the region. Cooking and sleeping also request a lot of time, as well as chatting with the locals, playing football with the kids, enjoying beautiful nature (as eg a georgous river for swimming) or watching the "embarque" (= shipping) of the fair-trade-peace-community bananas which later on will be bought by consumerism-sensitive persons in Europe.

Seems to be a gorgeous, quiet lifestyle ... but not everything is like it seems at the first instant ... explosions, mines and illegal actions and threats from the armed actors in the region leave the small peace community under tension. If we as international accompaniers have to leave the village - for buying vegetables, downloading bulk-documents from the internet or getting gas for cooking - people are afraid, afraid of any danger they could face in the meanwhile, without any international backup that makes them politicaly so much stronger and secure.

They have been disappointed by so many organisations as well as by the state, that they continue to fight their fight nearly all by themselves ... relying just on very few organisations ... as for example FOR (Fellowship of Reconciliation) with which I´m based in La Union.

Last week a member of the peace community stepped on a mine while he was leaving the main path for watching out for his pig which was walking arround the forrests and enjoying its life as free-range-breed. Instead of calling the International Red Cross (in which the community already doesn´t trust in) the people prefered to themselves run up the mountain to rescue th[imagebrowser id=1]e guy from bleeding to death and bring him down to the hospital in a hammock. Because of the military placed arround the region they needed us to accompany them to guard their emergengy-run, and keep the armed actors from stopping them and asking to many questions which could mean the death of the injured.

This was one of the things that happened in the last (2) weeks during me being in La Union. At the moment I´m in Medellin (2nd biggest town in Colombia) for an other accompaniment of a Colombian organisation working with "campesinos" (= farmers) to help them from beeing displaced through threats of armed actors.


Water, Energy and the Displacement Factor
by Marion E. Hiptmair

I joined the FOR team in La Unión, San José de Apartadó in the beginning of November. After only a few weeks, because of logistical circumstances, I got the chance to join a FOR accompaniment trip in northeastern Antioquia, along the Porce River. "Great!" I thought, without knowing a lot about how tough this journey would be.

The number of displaced people in Colombia is high, second worldwide only to Sudan. In the case of Colombia, Colombia has a lot of natural resources to offer, and one of its valuable resources is water. Through that, much of Colombia's energy is produced in big hydroelectric plants. This energy is not considered renewable, as these plants have an enormous effect on in the ecology and population of this region and of Colombia. A hydroelectric plant of this size needs a lot of space and the flow, size and density of the river changes. These changes very often lead to displacement, not just in Colombia.

In this case, Medellín Public Enterprises plan to build a new hydroelectric plant "Porce IV" along the Porce River, a project worth US$ 800 million. The eminent domains of the region are organized and the implementation of the 400 megawatt plant is foreseen for 2015. This construction affects several small villages along the river and will cause the displacement of about 1500 families, some of them already displaced by the construction of the Porce III plant.

People in this region are mostly gold miners and "chaluperos" (transporting goods and people with their motor canoes or "chalupas"). To secure social justice for themselves with the construction of Porce IV, local people organized themselves, assisted by the Antioquía Peasant Association (ACA). FOR has accompanied the ACA, an organization that supports farmers through workshops, investigations and organization in their fight against injustice, since 2005.

Our adventurous accompaniment started in Medellin. We went in a camioneta (pick-up truck) to Amalfi, a small village in northeastern Antioquia and one of the places affected by the construction of Porce IV. From Amalfi we continued in a camion (small truck) where we sat in the open back with excellent view on the stars of Colombia. When we finally arrived in "La Vega de Naranjal" we filled our still empty stomachs with a delicious Colombian meal. In Colombia, meals in general always include some kind of meat, rice, beans, patacon (mashed and fried plantain), plus the famous agua panela (sweet sugar cane in water) ... mmmhhmm ... After this dinner and a whole day of traveling, military controls, and talking, we fell totally exhausted into our beds.

At 5:30 am some people from the village came into the guest house and woke us with a nice breakfast of tinto (sweet black coffee) and freshly-made buñelos (fried dough balls). After this refreshment we set out on a 3 hour walk to Los Trozos, from where we continued in chalupas along the Porce River to Zaragoza, where a big community meeting would take place. The trip in the chalupa was an adventurous rafting ride through this region wonderful nature. We saw colorful birds, monkeys swinging through the trees and many marvelous plants. Once we arrived in Zaragoza, we all were quite surprised, as it was much bigger and hotter than we had expected. After a refreshing shower we went on to the community meeting. To inform people of our presence we were invited to give a short presentation of FOR and its work in Colombia. The evening and the next day were full of meetings, until ultimately we left in the afternoon with a colectivo (shared taxi) and a bus back to Medellín.

People we met at this accompaniment were great and really appreciated our presence. We were invited to so much food and tinto, that we hardly could have eaten more. Several people told us about the positive effect of international accompaniment, saying that they felt much more secure and could express themselves more openly.


I hope this was an interesting little insight into my work here in Colombia > I´m trying to publish a web-blog, but as you can imagine with little and slow internet-access, any internet-activity becomes something very rare. But as soon as my blog is filled with content I´ll send you the link, which will then hopefully clarify some of your questions.

Let me know how you are doing!

All, all the best,
Marion.