März 2010 – Die neuen Regionen in Córdoba, ein Mitschnitt ...

Der März fing gleich mal ziemlich ereignisreich an! Nach ein paar Tagen „Urlaub“ in La Union, nach dem Memorial des Massakers in Mulatos, marschierten wir wieder für ca. 6 Std. nach Mulatos zurück, um dort noch einen Tag zu verbringen bevor wir uns aufmachten ein paar Gemeindemitglieder in die neuen Gebiete der Friedensgemeinde in Córdoba zu besuchen und kennen zu lernen.Seit ihrer Gründung in 1997 befand sich die Friedensgemeinde nur in dem departamento (Bundesland) Antioquia, und hier in dem corregimiento (Gemeinde) San José de Apartadó. Aufgrund der durchgeführten retornos – wenn die Leute, welche aufgrund des Konfliktes ihren Grund und Boden verlassen mussten wieder dorthin zurückkehren – zerstreuten sich die Friedensgemeindemitglieder wieder bis an die Grenzen zum Bundesland Córdoba. In diesen angrenzenden Gemeinden ist die Gewaltsituation ziemlich prekär und sie haben eine hohe Präsenz illegaler Akteure. Als die Kleinbauern aus Córdoba die Friedensgemeinde kennen lernten, schien ihnen jene als eine gute Alternative zu der bis dato gelebten Situation.

Die Friedensgemeinde ist jedoch kein Verein wo mensch so einfach einsteigen kann. Durch die komplizierte Situation des Konfliktes müssen Neuinteressierte ihre Ernsthaftigkeit und insbesondere Neutralität erst einmal über einen gewissen Zeitraum unter Beweis stellen, bevor sie tatsächlich aufgenommen werden. Nachdem einige Personen das Vertrauen gewonnen haben, hat die Friedensgemeinde San José de Apartadó nun Mitglieder in 8 Gemeinden in Antioquia (San Josesito, La Union, Arenas, Mulatos, La Resbalosa, La Esperanza, La Cristalina, Las Nieves) und in 4 Gemeinden in Córdoba (Alto Joaquin, Naín, Las Claras, Puerto Nuevo).

Wir (mein Teamkollege Chris und ich) waren total erfreut, die Gelegenheit zu haben die neuen Gemeinden in Córdoba kennen zu lernen. In den Gemeindetreffen, welche großteils in der Aldea de Paz in Mulatos stattfinden, hatten wir ja schon ein paar neue Mitglieder kennen gelernt. Wie sooft wenn jmd. neu dazukommt, bringen auch die jungen Mitglieder aus Córdoba frischen Schwung in die Gemeinde.

Der Weg nach Córdoba ist ein ordentlicher Spaziergang: Nach den 6 Stunden nach Mulatos (welche wir ja bereits am Vortag zurückgelegt hatten) kommt ein einstündiger Aufstieg nach La Resbalosa und von dort aus geht es noch mal 6 Stunden weiter bis in die erste Gemeinde Naín. Der Weg von La Resbalosa nach Naín war jedoch einer der schönsten Wege meines Lebens. Wir marschierten hauptsächlich in einem Flussbett, umgeben von wunderbarer Vegetation (leider wird dieses tolle Ambiente auf den Fotos nur schwach wiedergegeben).

Als wir in Naín ankamen, war es bereits fast dunkel, und somit durften wir dann im dunkeln den fast ausgetrockneten Fluss suchen, um uns und unsere Kleidung im fast mehr Sand als Wasser zu „waschen“. Dann bekamen wir jedoch ein leckeres Abendessen, und schon fielen wir früh aber todmüde in unsere Hängematten. Am nächsten Tag hieß es wieder früh aufstehen und los ging es in die nächste Gemeinde Alto Joaquin. Der eigentlich 2 Stunden lange Marsch, dehnte sich auf 5 Stunden aus da wir des Öfteren einen anderen als den geplanten Weg einschlugen. Wie Alto Joaquin bereits im Namen verrät, beinhaltet der Anweg wieder einen ordentlichen Aufstieg, der uns die Restmüdigkeit aus den Knochen trieb. Dort oben erlebten wir jedoch einen kulinarischen Highlight: Angefangen vom besten tinto (schwarzer Kaffee mit Zucker) meines Lebens, über einen super-leckeren Kokosreis, bis hin zu in Kokosmilch zubereiteten Fisch wurden unsere Gourmetlechzenden Münder verwöhnt. Nach einigen Besprechungen ging es bereits weiter in die nächste Gemeinde Puerto Nuevo, was jedoch nur einen kurzen Spaziergang und eine anschließende Bootsfahrt bedeutete. Auch dort wurden wir wieder mit Fisch und Reis verwöhnt und schwups starteten wir nach Las Claras, der letzten Gemeinde auf unserer Liste, wo wir nächtens nach einer kleiner Bootsfahrt ankamen und erneut leckeren Fisch als Abendmahl bekamen.

Am nächsten Tag wären wir eigentlich noch in eine 5. Gemeinde spaziert, in welcher es noch keine Friedensgemeindemitglieder gibt, jedoch von Einigen das Interesse besteht Mitglied zu werden. In den Besprechungen welche in den anderen Orten stattfanden, erfuhren sie jedoch, dass der Grossteil der Bewohner dieser Gemeinde etwaige Verbindungen mit paramilitaren Gruppen haben. Dadurch hatten wir einen Spaziergang weniger, und am nächsten Morgen fuhren wir mit einem Boot bis Frasquillo, um von dort auf der Strasse mit Busen, über Montería, wieder zurück nach Apartadó zu fahren.

Die vier neuen Gemeinden in Córdoba liegen alle in der Nähe eines Stausees Urrá I, aufgrund welches Baues sie vor einigen Jahren bereits „umsiedeln“ mussten. Die „Umsiedlung“ funktionierte mehr durch Drohung als Verhandlung, und den Leuten wurde nicht ihr Grund sondern nur die Dinge welche sich auf dem Grund befinden (Haus, Baum, etc.) zu günstigsten Preisen abgekauft. Jetzt liegen dem Staat die Pläne für den nächsten taudamm Urrá II vor. Bis jetzt wurden sie aufgrund des gewaltigen Umwelt- und Sozialschäden abgewiesen, aber die Unternehmen stehen dahinter und arbeiten an einer zukünftigen Genehmigung. Eine einfache Art und Weise, den Kleinbauern auf legalem Wege ihres Boden zu enteignen, ist sie in den Koka-Anbau zu verwickeln. Erst einmal als Koka-Bauer erwischt, gehört sein/ihr Grund und Boden der kolumbianischen Regierung. Was für eine einfache Methode Gebiete ohne desplazamiento forzado (Zwangsvertreibung der Bevölkerung) und somit auf legalem Wege zur Verfügung zu bekommen. Dies vermindert zwar nicht den Umweltschäden, aber den sozialen umso mehr!

Nach diesem tollen „Ausflug“ waren wir auf alle Fälle für unsere geplanten Besprechungen in Monteria gerüstet. Wie wir uns auch regelmässig (ca. alle 6 Monate) mit den Militärverantwortlichen aus San José de Apartadó treffen, wollten wir, aufgrund der neuen Mitglieder der Friedensgemeinde, nun auch anfangen uns mit den Verantwortlichen der in Córdoba ansässigen Truppen zu treffen. Bei diesen Treffen war ich persönlich nicht dabei, da meine zwei Teamkollegen jeweils die starke Präferenz hatten dabei zu sein, also dachte ich mir mache ich mir ein paar nette Tage in La Union. Auf jeden Fall hatten wir ein paar erfolgreiche Treffen, mit dem Militär, der Polizei und der Defensoría aus Córdoba.

Ende März, für die Osterzeit hatte ich dann Urlaub, welchen ich nützte um meine Freunde in Tumaco zu besuchen!!! Es war toll, sie nach so langer Zeit endlich wieder zu sehen! Leider ist die Situation in Tumaco ziemlich kompliziert. Hier werden täglich circa 10 – 15 Leut’ umgebracht (teilweise sogar im Stadtzentrum), in Apartadó ist es dahingegen richtig ruhig, hier wird mit einem Schnitt von 8 Morden in der Woche kalkuliert.

Leider fuhr ich schon a bissal krank in den Urlaub, und kam auch wieder krank davon heraus, auch wenn ich echt versuchte mich so gut wie möglich zu schonen. Als wir das letzte Mal in Mulatos waren, hängte sich leider ein Zecken an meinen Oberschenkel, und an so einer tollen Stelle, dass ich ihn leider überhaupt nicht sah. Tja und als er dann nach ca. 2 Wochen wahrscheinlich schon ne etwas stattlichere Gestalt angenommen hatte, hab ich ihn mir unabsichtlich weggekratzt. Natürlich ist sein Kopf tief stecken geblieben, und der enthält anscheinend Eier welche dann ins Blut gelangen und eine Infektion hervorrufen. Aber davon wusste ich zu der Zeit noch nichts, und ich versuchte die Wunde mit allen möglichen Mitteln zum Heilen zu bringen. Tatsächlich verheilte sie auch irgendwann so halbwegs, aber alles andere was meine Haut öffnete (Blasen, Gelsenstiche, etc.) entzündeten sich schrecklichst, und ich hatte 8 über Wochen entzündete offene Wunden. Erst versuchte ich sie über Homöopathie zu heilen > funktionierte leider auch nicht, also ging ich dann zu einem normalen Arzt der mir auch gleich 2 Bombenantibiotika und noch 2 Wochen extra in Bogota verschrieb. Damit heilten meine Wunden dann auch endlich und ich konnte somit im April dann auch wieder zurück nach La Union.