Juni 2010 – Mango- und Bananenträume

Verglichen mit Mai, hatte ich im Juni fast das gesamte Monat in der Friedensgemeinde verbracht. War echt eine tolle Zeit! Ich habe mich jetzt auch schon so an das Leben hier gewöhnt, das hätte ich mir anfangs nicht ausmalen lassen.

Gut erinnere ich mich an meine erste Zeit hier! Jede Gelegenheit einmal wieder in die „Stadt“ Apartadó zu reisen hatte mich begeistert. Mein damaliger Teamkollege Peter, aus England, meinte auch einmal zu mir: „Mir ist Apartadó in der Zwischenzeit schon viel zu stressig, der Lärm der Autos, die vielen Menschen...“, und ich dachte dabei noch, dass ich liebe in Apartadó zu sein. Hier fühlte ich dass ich ein Leben lebe, an welches ich gewöhnt bin, wo ich jederzeit alles essen was ich möchte oder mir alles mögliche kaufen kann, das Internet funktioniert meistens und flott und es gibt sogar ein Kino. Hier in La Union hat das Leben einen ganz anderen Rhythmus. Gegessen wird was es gibt, da wir gerne kochen essen wir meistens auch super-lecker, aber mensch muss sich erst einmal daran gewöhnen so gut wie ohne Milch- oder Fertigprodukte zu kochen. Wenn in unserer Lebensmittelkollektion (welche nie besonders groß ist, denn ohne Kühlschrank kann mensch sowieso nicht viel aufbewahren) etwas fehlt worauf wir Gusto hätten, gibt es nichts zu machen, Zubereitet wird mit dem was es gibt. Um Einkaufen zu gehen, würden wir mindestens 6 Stunden benötigen.

Auch die Nächte eingehüllt von Hähnekrähen, Kuhschmausen, Mausetrippeln und Pferdewiehern benötigen einen gewissen Gewöhnungszeitraum. Der für uns ungewöhnlich ruhige Lebensstil und die Art und Weise der Menschen hier miteinander zu kommunizieren ... all dies erfordert erst mal ein bisschen Zeit. Keine Ahnung wie ich mich nochmals ein paar Monate später fühlen werde, aber jetzt, nach zirka acht Monaten in der Friedensgemeinde, denke ich habe ich mich an das Leben hier gewöhnt. Das einzig erfreuliche an einem Einkaufstrip nach Apartadó ist für mich meine heißgeliebte Schokolade, welche ich nur dort erstehen kann.

Mir gefällt das Leben hier. Es schein mir, dass ich mehr schlafe als alle Schlafstunden, meines gesamten vergangenen Lebens davor. Wir kochen mit den natürlichsten und einfachsten Zutaten, wessen Zubereitung zwar mehr Zeit in Anspruch nimmt, wir dafür jedoch genau wissen, was wir hier essen. ... und Zeit, Zeit haben wir hier einerseits mehr als genug, andererseits jedoch auch wieder viel zu wenig. Die Tage hier verfliegen schnell, und verglichen mit einem Tag in Europa haben wir am Ende so gut wie nichts getan. Aus unerklärlichen Gründen ist hier alles um so vieles langsamer, und dies macht uns selbst ebenso langsam. Die Arbeit welche wir in einer kompletten Woche (wir haben ja kein Wochenende) am PC zurücklegen, schafft mensch in einem Münchner Büro wahrscheinlich in weniger als einen Tag. Anfangs deprimiert einem diese Situation, wir fühlen das wir nichts zustande bringen, aber ich habe mich jetzt auch schon daran gewöhnt und nehme Verzögerungen um vieles gelassener hin.

So sehr ich mich auch auf meinen Heimaturlaub und die Hochzeit meiner Schwester im August freue, irgendwie habe ich auch ein bisschen Angst davor. Ich kann mir gut vorstellen, dass ich einen doch gewaltigen Kulturschock spüren werde. Aber wer weiß, vielleicht wird er auch nicht so stark wie befürchtet.

Auf jeden Fall, um wieder auf den Punkt zu kommen, ich habe meine diesmal doch ziemlich langen Zeitraum hier in der Friedensgemeinde sehr genossen. Da mein Teamkollege Besuch von seiner Partnerin bekam, und auch ein Weilchen auf Urlaub war, hatte ich auch mehrere Tage ganz für mich, was mir ermöglichte endlich diese Berichte zu schreiben.

Glücklicher Weise war im Juni auch gerade Mangosaison ... und ich liebe Mango! Einer der Erstbegründer von La Union hatte in seinen ersten Tagen eine riesige Mangoallee gepflanzt, von welcher wir bis in die heutigen Tage nutznießen. Über ein Monat hinweg kann mensch sich täglich Säcke mit frischen Mangos füllen. Teilweise hatte ich bereits zu viel Mango gegessen, und meine Zunge war etwas von der Fruchtsäure verätzt und ich musste eine kleinere Mango-ess-Pause einlegen. Zurückdenkend an meine Kindheit, wo mein Herr Papa vielleicht ein- oder zweimal im Jahr, um uns eine Freude zu machen, eine Mango vom Naschmarkt mitbrachte, ist das echt ein Weltenwanel.

Einmal Mitte Juni wurde ich für eine kleine Petition von Bogota aus der Friedensgemeinde gerufen. Ich konnte den Rechtsanwalt der ACA (Asociacion Campesina Antioquía), die Organisation mit welcher ich bereits im November 2009 einen „Begleitausflug“ gemacht hatte, auf eine Reise nach Turbo begleiten. Turbo ist zirka eine Autostunde von Apartadó entfernt, hat einen Hafen, Strand und großteils afro-kolumbianische Bevölkerung. Hier ein kleiner Artikel welchen ich über diese Petition schrieb:


The Colombian odyssey or the fight over land

The humid air entering by the open windows of the already rumbling Chevrolet Sprint was refreshing us. Our destination: Turbo, one of Colombia’s most important port towns on the Caribbean known for hot weather, dirty town beaches and its mainly black population. Turbo is full of life, salty ocean-air and fresh fish … and one of my favorite towns in Colombia. I was happy having the chance to accompany Fernando, the friendly lawyer of the ACA, during his job there.

The ACA is the Antioquian Farmer Association, and FOR has accompanied their work now for about five years. They mostly support farmers who have been - or are threatened to be – displaced, in the defense of their land. In Colombia the access to land always has been a source of political power and humanitarian problems. This is a social and armed conflict in which the elite pretends to defend their political and economic power by putting in risk the fundamental economic, social, cultural and environmental rights of the Colombian farmers.

In Turbo the ACA works with campesinos (small farmers), who due to the violence in the region had to leave their land. When later on the security situation in the region got better and the campesinos came back to their own land, which they even have the titles for, somebody else was living there and cultivating their land. Somebody else they have never met before; somebody else they are afraid of and who doesn’t even let them visit their own land. After this welcome back they often try with different state entities to recuperate their land, but it seems impossible – impossible especially for somebody to whom all this bureaucracy is one of the biggest barriers and the money to pay a lawyer is missing.

The ACA and the Association of Victims for the Restitution of Land and Property in Urabá, work together with some of these campesinos to help them to get back their land.

“Its now about 10 years, that I’ve been trying recover my land.” said one of the campesinos to me, while sitting in a bar in Turbo waiting for the other two campesinos to come. He was sipping on his aromatica (sweet herbal tea) while reflecting on what had happened to him. When all had arrived, Fernando got some information from each of them, and we continued to an Internet café where he finished up his documents. Shortly before 5 pm, when the public offices in Colombia close, we enter the registration office and deposit the documents. “Now the patience procedure starts” said Fernando to the campesinos, “you have to come here, every Friday, as if they would be holy, and ask for any progress in your process”.

Juan, one of the campesinos who started the judicial process with the help of the ACA two years ago, was able to finally resettle his land. “The first thing I did was knock down all those plantain plants, which had hardly been cultivated in this region when I left!” said Juan proudly. As a little thanks for the help of the ACA, Juan gave Fernando some kilos of fresh corn he had just harvested and a big smile.

Let’s hope that the judicial process for the other two campesinos in Turbo, as well as for all the other campesinos the ACA takes care of, works out all fine, and that they are soon able to cultivate their proper land again.


Eine andere tolle Sache, welche ich hier im Juni erlebte war, dass ich wieder einmal bei einem embarque (Verschiffung von Kleinbananen nach Europa) dabei sein konnte. Es ist einfach unglaublich was für einen Unterschied es macht wo mensch lebt und was für einen Zugang er zu den unterschiedlichen Lebensmittel hat. Um ihren Gemeinschaftsprozess finanzieren zu können sucht die Friedensgemeinde immer wieder nach neuen wirtschaftlichen Möglichkeiten. Eine zeitlang verkaufte sie biologisch angebauten Kakao an die GEPA in Deutschland. Als ich letztes Jahr in München arbeitet, hatte ich sie auch tatsächlich in einem Dritte-Welt-Laden entdeckt – kleine Schokoladetafeln aus der Friedensgemeinde San José de Apartadó > schmeckte echt lecker! Dieser Kakao-Liefervertrag wurde nun jedoch gecancelt, da es ihnen unmöglich war, diese großen Mengen an Kakao welche die GEPA benötigt hätte zu liefern. Nun verkaufen sie ihren biologischen Kakao an lokale Genossenschaften zu einem geringeren Verkaufspreis (COP 5.000,—statt COP 7.000,--).

Zur Zeit haben sie jedoch einen Vertrag zum Verkauf von biologisch angebauten Kleinbananen an BanaFair. Was heißt es Kleinbananen biologisch anzubauen: Das verwendete Insektizid wird aus Zwiebel, Knoblauch, Chili und noch ein paar anderen Zutaten zusammengebraut. Es funktioniert, ist jedoch bei weitem nicht so effizient wie eine chemische Mischung. Da BanaFair seine Bananen auch relativ teuer verkauft, sollten sie sich natürlich in einem mehr oder weniger optimalen Zustand befinden. Was passiert also alles in so einem embarque!?

  1. Die Bananen wurden mit Farbbändern markiert, denn zu jedem embarque (falls es wöchentlich stattfindet) werden die Bananen von einer Farbe verschifft, denn sie haben alle mehr oder weniger das gleiche Alter.
  2. Nun zuerst werden die Bananen vom Baum geschnitten, der Baum welcher die Bananen trug wird kurzgesäbelt, denn er hat bereits einen „Jungen“ bekommen der an seiner Seite hochwächst und die nächste Bananenstaude tragen wird.
  3. Alle eingesammelten Bananenstauden werden an einem Holz aufgehängt
  4. Der Verantwortliche des embarques schneidet die Bananen von der Staude und teil sie in „gesunde“ Pärchen von 4-6 Stück. Gesund heißt ohne schwarze Flecken, denn das ist der Auftrag.
  5. Die Mithelfer waschen die Bananenpärchen erst, und lassen sie dann in einer Flüssigkeit welche ihre Reifung verzögert einwirken.
  6. Nun werden die Bananen auf Bananenblättern zum Trocknen aufgelegt.
  7. Sind sie trocken werden sie mit den entsprechenden Etiquetten beklebt.
  8. Anschließend werden sie in kleine Plastiksackerl verpackt.
  9. Zum Abschluss werden die Bananen in ihren Plastiksackerl in die großen Kartons gepackt, um sie auf einem Maultier zur ersten Station nach La Holandita zu transportieren.
  10. In La Holandita angekommen, werden die Bananen wieder in kleinere von BanaFair speziell angeschafften Kartons verpackt, in einen LKW geladen und nach Cartagena an den Hafen transportiert.
  11. In Cartagena werden sie dann schlussendlich verschifft und auf die große Reise über den Ozean geschickt.

Tja und wie dann der weitere Prozess aussieht, wenn sie erst einmal in Deutschland ankommen, wissen wir sowieso. Auf jeden Fall verdienen die kolumbianischen Bauern ca. 1 EUR pro kleinen Karton, welcher je 12 Sackerl mit je zirka fünf Bananen enthält.
Ich finde dieses embarque immer super interessant, da es mir einen Einblick gibt, in was ich da eigentlich kaufe wenn ich in Europa Bananen kaufe.

Die Friedensgemeinde ist auf alle Fälle recht glücklich mit ihrem Bananenvertrag, sind jedoch auf der Suche nach einem Unternehmen, welches ihnen auch die anderen Bananen mit schwarzen Flecken abkauft und damit ev. Studentenfutter herstellt. Des Öfteren verlieren sie auch relativ große Mengen an Bananen wenn ein starker Stum geht, oder wenn BanaFair gerade keine Bananen braucht und sie dann zu einem späteren Zeitpunkt bereits zu reif sind. Auf alle Fälle essen kolumbianische Pferde und Maultiere keine Äpfel sondern grüne Bananen und somit haben sie wenigstens mehr als genug Futter für ihre Transportmittel.